Gastkommentar zum Thema Gipfelwahnsinn

Gastkommentar zum Thema E-MTB Gipfelwahnsinn mit Thom Oehler

Zuerst möchte ich anführen dass ich hierbei in keinster Weise Thom Oehler als Mensch zurechtweisen möchte, es darf und wird jeder für sich entscheiden was für ihm okay ist und was nicht. Ich schätze ihm als Mensch und Sportler sehr.

Tom Oehler hat sicherlich eine tolle sportliche Leistung bei diesem Projekt erbracht, aber mit welchen Mitteln wurde diese Leistung erreicht?

Das für mich verstörendste Foto dieser Story ist wie ein neuer Akku auf über 2000 Metern Höhe nachgeschoben wurde. Also Nachlieferung von fossiler Energie in Form von einem vollgeladenen Akku.

Stellt euch alle bitte mal vor, wenn Nicolas Hojac und Philipp Burger bei ihren Speed-Rekord am Eiger, Mönch und Jungfrau sich an einem Seil angetrieben von einem Motor hochziehen lassen hätten. Was wäre dann deren Rekord wert? Jeder selbst darf das für sich beantworten.

Was ist ein Rekord dieser Art wert, wenn man mit einem Motor angetriebenen Fahrzeug in den Bergen von Gipfel zu Gipfel unterwegs ist? Auch diese Frage darf jeder für sich selbst beantworten.

Was ich hier auch noch einbringen möchte: Es hat vieles seine Berechtigung, alles denke ich jedoch nicht. Die Frage ist, sind solche Aktionen vertretbar, obwohl das Gesetz dies nicht untersagt? Eines ist klar, man tut nichts Verbotenes, aus der Sicht eines Bergliebhabers vielleicht etwas Verwerfliches. Wenn man die Aktion als Bergmensch aus ethischer Sicht betrachtet, auch ziemlich lieb und respektlos.
Sicherlich ist es Ansichtssache, ob es angebracht ist sich mit einem motorangetriebenen Fahrzeug im alpinen Gelände von Gipfel zu Gipfel zu bewegen. Hier kommt noch dazu, dass eine PR-Story daraus gemacht wurde. Ob das respektvoller Umgang mit alpinem Lebensraum ist, darf wiederum jeder selbst für sich beantworten …

Ich bin ein Befürworter der Aussage von Paul Preuß – ein bekannter Alpinist um 1900:

Das Können ist des Dürfens Maß

Was mich noch bedenklicher stimmt ist, dass aufgrund solcher Aktionen der Bike-Sport wahrscheinlich nicht beliebter wird, sondern dass die ablehnende Haltung der Skeptiker zunimmt.

Mit solchen Aktionen tun wir niemandem etwas Gutes glaube ich, uns selbst nicht und unseren Nachkommen nicht. Ich denke, dass wir insgesamt mehr Schaden anrichten als Positives erwirken.

Hinzu kommt noch der ethische Schaden: Was wollen wir damit jungen Menschen zeigen?
„Dass MEHR immer besser ist, egal wie und was MEHR, hauptsächlich MEHR.“

Sind unsere Berge Monster, die es zu bezwingen gilt, egal wie und mit welchen Mitteln? Halten die Berge nicht etwas viel wertvolleres für uns bereit? Sollten unsere Berge und unsere alpinen Landschaften nicht ein Ort der Entschleunigung und der Begegnung zwischen Mensch und Natur sein?

Ist unsere alpine Landschaft dazu da, sich in ihr mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln noch schneller darin zu bewegen? Nicht mit eigener Kraft und eigenem Können, sondern mit motorisierter Unterstützung? Macht uns das glücklicher und zufriedener, oder sollten wir mit dem zufrieden sein, was unser Körper, unsere zur Verfügung stehende Zeit und unsere körperliche Verfassung hergibt?

Sicher, um eine solches Projekt erfolgreich zu bestreiten, braucht es einen durchtrainierten Sportler, ansonsten schafft man dies auch nicht mit Motorunterstützung. Aber was kommt nach diesem Rekord? Sicher jemand, der mit noch mehr „unnatürlichem Einsatz“ diesen Rekord in den Schatten stellt. Wollen wir das wirklich?

Wenn man im Moment das Kräftemessen der Hersteller mit immer mehr Power und mehr Drehmoment verfolgt dürfte das ohne Probleme machbar sein und schnell passieren.

Ja ich weiß, jetzt denken sicher viele, ach Gott der schon wieder! Hat ein Business, das sich auf Bike Shuttle spezialisiert hat, bringt 100te Biker in den Sommermonaten auf allen möglichen Passhöhen und regt sich hier wieder auf. Ihr könnt alle sicher sein, ich rege mich nicht auf und urteile auch nicht. Ich sehe nur die Schieflage, in der dieser wunderschöne Sport geraten ist. Und ja, mit meiner Firma bringen wir Menschen in den Sommermonaten auf das Stilfserjoch oder andere Pässe. Ich nehme dafür Geld, wirtschafte damit, bezahle meine Steuern, meine Angestellten und nutze die Infrastruktur „Straße“, die für motorisierte Fahrzeuge gebaut wurde.
Der alpine Lebensraum und die darin gebauten Wanderwege wurden nie für motorisierte Fahrzeuge gebaut oder ausgewiesen. Natürlich bringe ich auch E-Biker zu den Startrampen der Highlight Touren in unserer Region. Was ich nicht anbiete ist ein Flatrate Shuttle, das heist dass jede Gruppe nur einmal am Tag ein Shuttle bekommt. Den Rest des Tages darf auch mal etwas hochgestrampelt werden. Ich habe auch keine Probleme, wenn ich im alpinen Raum E-Bikern begegne, ganz im Gegenteil! Ich hatte schon viele schöne Begegnungen und überlasse es wirklich jedem, wie er seine Freizeit gestalten möchte.

Eine andere Sache ist es aber, wenn großartige Werbeträger sich im Konsumrausch begeben und das Ganze noch befeuern! Als Vorbild trägt man so glaube ich immer Verantwortung, insbesondere gegenüber der Jugend.

Wie soll die Jugend sensibilisiert werden den alpinen Raum als etwas sehr Wertvolles und Schützenswertes für alle Menschen zu sehen? Wie sollen Jugendliche verstehen, dass dieser sensible Raum kein Bikepark ist, sondern vielmehr ein Ort des Rückzugs und Entschleunigung!

Ich habe letztes Jahr eine Anfrage eines bekannten deutschen Bike-Magazins erhalten, eine Story über das Gipfel-Biken oder Bike-Bergsteigen zu liefern, habe jedoch abgelehnt. Ich sollte an einem Tag mit Hilfe von Shuttle und Seilbahnen 7 Gipfel bewältigen. Ich bin mir sicher, dass ich es geschafft hätte, aber ich hätte mich dabei in meiner Bergwelt nicht willkommen gefühlt. Ich hätte mich wie ein Schwindler gefühlt, die „ehrliche“ Begegnung zwischen mir und den Bergen wäre nicht da gewesen. Ohne Seilbahn und Shuttle hätte ich alle sieben nicht geschafft und somit war das Projekt für mich gestorben.

Erst kürzlich habe ich vom Südtiroler Bergsteiger Hanspeter Eisendle ein Interview gehört mit folgenden Worten:

„Man könnte im weitesten Sinne sagen, dass der Alpinismus die Reduktion ist. Je mehr man weglassen kann, desto größer wird das Erlebnis. Im normalen Leben gilt es, so viel wie möglich in so kurzer Zeit wie möglich, zu schaffen. Der Alpinismus ist eigentlich das genaue Gegenstück: So wenig wie möglich und tiefgreifend.“

Wenn ich mir das Wettrüsten unter den Motorenhersteller anschaue, dann bin ich mir sicher, dass Gegenmaßnahmen von der Gesetzgebung kommen werden oder besser gesagt kommen müssen. Mit immer leistungsstärkeren Maschinen den Alpinen Raum in Beschlag zu nehmen, wird sich nicht spielen.

Ich habe diesen Artikel geschrieben, weil es mir ein Anliegen ist, dass auch in Zukunft das Hochgebirge für uns Radler zugänglich bleibt, und zwar auch für E-Bike Fahrer. Wir sollten uns vielleicht auch selbst mal an die Nase fassen und überlegen, ob das immer MEHR wirklich immer sein muss! Oder ob das etwas weniger am Ende vielleicht wertvoller und erstrebenswerter ist.

Ich glaube wir können nicht immer nur fordern, sondern sollten auch unseren Beitrag für ein friedliches Nebeneinander leisten.

Was wir alle wissen:
Die Natur hat eine Kraft, der Mensch hat eine Kraft, diese Kräfte müssen im Einklang sein, um Berge mit allen Sinnen erleben zu können und dabei tief glücklich zu werden.

So, und nun könnt ihr gerne euren Kommentar dazu abgeben, gerne auch böse Kommentare sollte jemanden danach sein, auch die haben hier Platz. Ich halte das schon aus, soviel ist mir dieser Sport wert!

Grüße an alle, die das lesen und kommentieren.

Siegi Weisenhorn
Südtirol & Bike

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3 Kommentare

Erik Laudenberg

13.05.2025 - 20:05:05

Sehr gut geschrieben und ich kann es nachvollziehen, obwohl mein Motorloses Bike fast 17 kg wiegt. Wir sind mit Dir 2020 aufs Madritschjoch gefahren und an diesem Tag fuhr die Sundenseilbahn nicht. Ich hab glaub ich 3 mal meine Lunge neben mir gehabt ;-), bis zu den Knien im Schnee versunken, aber oben wars Wahnsinn: geschafft, alleine ohne Hilfsmittel, einfach aus eigener Kraft. Also ich kann Deinen Beitrag absut nachvollziehen und sehe bei uns in der Gegend, was durch E-Mtb auch zerstört wird. Viele Grüße ins Vinschgau Erik

Michl

13.05.2025 - 22:05:05

E Bike ist Fluch und Segen in der Berg und in der Bike Welt! Ich bin auch Sportler und habe meine persönlichen Bestzeiten auf Gipfelanstiege oder Hüttenzustiege aber Rekorde auf hohen Alpinen Gipfel ist respektlos und sinnlos. Das habe ich mir beim Projekt Solo 771 von Michael Strasser gedacht und solche PR Aktionen verleiten dann auch für anderen Schwachsinn mit und ohne Motor Unterstützung!

Mühl

16.05.2025 - 07:05:05

Dein Artikel hat mich tief berührt – er spricht mir wirklich aus der Seele. Ich finde es großartig, wie differenziert und respektvoll du das Thema E-Biken in den Bergen angehst. Es ist so wichtig, dass wir nicht in einfache Schwarz-Weiß-Muster verfallen, sondern die Dinge im größeren Zusammenhang betrachten – genau das gelingt dir in deinem Text auf beeindruckende Weise. Besonders deine Wertschätzung für die Berge, die Idee der Entschleunigung und dein Appell, den nachfolgenden Generationen ein gutes Vorbild zu sein, haben bei mir großen Nachhall gefunden. Es braucht solche Stimmen, die nicht nur mahnen, sondern gleichzeitig auch die Liebe zur Natur und den Wunsch nach achtsamem Umgang damit spürbar machen. Dass du dabei niemanden verurteilst, sondern vielmehr zum Nachdenken und vielleicht auch Umdenken anregst, macht deinen Beitrag so wertvoll – und auch so glaubwürdig. Vielen Dank für diesen wichtigen Impuls!

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